Sonntag, 10. Juli 2011

Die Journalistin

Ich interviewe einen jungen Schriftsteller, der gerade dabei ist, berühmt zu werden. Ich bin nicht die einzige Reporterin. Soeben stellt eine junge, schlanke, agile Frau ihm ihre Fragen. Er antwortet nicht oder enigmatisch, macht sich aber die ganze Zeit über unsere Fragen lustig. Die junge Reporterin bricht ihr Interview ab, sie hat seine Mätzchen satt. Sie dreht sich brüsk um und geht einfach. Sinnierend blicke ich eine Zeitlang auf den arroganten Bengel und gehe dann kurzentschlossen auch.

Im Redaktionsraum treffe ich die junge Journalistin wieder. Sie ist in klare Farben gekleidet, trägt ein leuchtend gelbes T-Shirt. Sie freut sich, dass ich auch gegangen bin. Offenbar passen wir gut zusammen, wir könnten eine Weile zusammenarbeiten.

Sie gibt mir meinen ersten Auftrag: einen großen, quadratischen, weißen Kalender, für den ich zwei bunte Illustrationen zeichnen soll. Anderen übergibt sie ähnliche Kalender, ähnliche Aufträge. Jeder von uns soll aber auch in eine oder zwei von der Redaktion bestimmte Städte fahren und eine kurze Reportage von dort schreiben. Nichts Weltbewegendes, nur unsere Eindrücke. Eine halbe Seite jeweils.

Ich bin sehr, sehr stolz, von einer professionellen Journalistin journalistische Aufträge bekommen zu haben, und erzähle all meinen Freunden davon: Das ist der Beginn meiner neuen Karriere.

© Angela Nowicki, 10. Juli 2011

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