Donnerstag, 19. September 2013

Das Flöhatal zwischen Borstendorf und Leubsdorf


Kohlweißling an Kohldistel Hummel in Drüsigem Springkraut
Kohlweißling an Kohldistel                                                                                         Hummel in Drüsigem Springkraut

Döbel in der Flöha Whale Watching
Döbel in der Flöha                                                                                                                  Whale Watching

Morscher Baumstumpf mit Drüsigem Springkraut Buntspecht
Morscher Baumstumpf mit Drüsigem Springkraut                                                        Buntspecht

Nach dem letzten Hochwasser Mühlstein im Fluss
Nach dem letzten Hochwasser                                                                                     Mühlstein im Fluss

Wespennest Gleisbett der alten Werkbahn
Wespennest                                                                             Gleisbett der alten Werkbahn der Marbacher Schleiferei

Ein Stein... ... mit vielen...
Ein Stein...                                                                                              ... mit vielen...

... Gesichtern Fenster zu anderen Welten
... Gesichtern                                                                                                            Fenster zu anderen Welten

Am WKW Marbach Erzgebirgischer Hinkelstein
Am WKW Marbach                                                                                                            Erzgebirgischer Hinkelstein

Marbacher Schleiferei Drüsiges Springkraut
Marbacher Schleiferei gegr. 1881                                                                                                     Auch ein...

Drüsiges Springkraut Wehranlage am WKW Marbach
... Drüsiges Springkraut?                                                              Wehranlage am WKW Marbach

Erzgebirgsbahn Alter Holzschleifer
Die Erzgebirgsbahn                                                                               Alter Holzschleifer von Amme Luther, Braunschweig

Holzschleifer, Detail Holzschleifer, Detail
Vierpressenschleifer, Detail                                                                                                   Vierpressenschleifer

© Angela Nowicki, 29. August 2013

Samstag, 14. September 2013

Lost Paradise


In Borstendorf im Erzgebirge steht eine verfallende Papierfabrik. Sie wurde 1881 von Friedrich Otto Siegel, Prokurist einer Chemnitzer Maschinenbaufirma, und Carl Friedrich Haase, einem gelernten Zimmermann, gegründet. 1932 wurde sie vor dem drohenden Konkurs als Papierfabriken Grünhainichen GmbH von einer Auffanggesellschaft übernommen, die allerdings - als Teil einiger schlauer Winkelzüge des Unternehmensberaters Georg Jahn - vor allem von der Familie Haase selbst finanziert worden war, so dass beide Familien weiterhin einen Großteil der Anteile hielten und an der Geschäftsführung beteiligt waren. Am 30. Juni 1946 wurden die Besitzer durch Volksentscheid enteignet. Sie hatten sich auf dem Fabrikhof eine traumhafte Park- und Villenanlage erbaut, die nach der Enteignung an Familien der Fabrikarbeiter vermietet wurde.

Die Herren Kapitalisten im Garten vor der Veranda

Das große Wohnhaus, Fabrikweg 1, beherbergte fünf Familien, der kleinere Anbau daneben drei. Auf dem Fabrikhof gab es noch zwei weitere Wohnhäuser, alle in einer jugendstilartigen Architektur erbaut wie die Fabrik selber, in denen nochmals insgesamt fünf Familien wohnten. Zur rechten Wohnung im ersten Stockwerk des erstgenannten Wohnhauses gehörte auf der Rückseite des Hauses ein geräumiger ebenerdiger Garten. Das Haus liegt nämlich an einem Hang, so dass Räume im Erdgeschoss nur an der Vorderseite zum Fabrikhof hin gebaut werden konnten, während die drei Wohnungen im ersten Stock zur Rückseite hin parterre liegen.

Gleiche Ansicht wie oben - heute


Vom Garten aus führten nach links eine kleine Ziegeltreppe und ein abschüssiger Weg zu einer von Hainbuchenhecken eingefasste Wiese mit einer hohen Fichte hinunter - dem Wäscheplan. Zwischen Garten und Wäscheplan lag ein ovales Rosenbeet, das gehörte der Gärtnerei, die sich mit ihren Gewächshäusern links von der Wiese hinzog. Weiter führte der Weg zu einem Teich, hinter dem, versteckt im dichten Haselgebüsch, mehrere Keller in den Felsen gehauen waren.

Überreste der Ziegeltreppe


Was vom Rosenbeet blieb...




Derselbe Weg führte hinter Wäscheplan und Garten wieder zurück zur Rückseite des kleineren Hauses. Es war ein schmaler Weg, der auf einer Natursteinmauer zwischen Hainbuchenhecken verlief und in dessen Mitte ein Weg abzweigte, der einen steilen Berg zwischen weitläufigen Wiesen hinauf zur „Haase-Villa‟, dem schönsten der fünf Wohngebäude, führte, die wiederum direkt an der Hauptstraße von Borstendorf liegt. Diese Villa hatte zwei Eingänge und beherbergte drei Familien. Auf der riesigen Wiese zwischen Hauptstraße und Teich stand - und steht heute noch - direkt an der straßenseitigen Hecke ein verfallener hölzerner Pavillon.
Auf der anderen Seite der Villa hingegen zog sich am Steilhang zwischen Fabrikweg und Hauptstraße ein kleiner romantischer Naturpark dahin, ganz im Sinne von J.J. Rousseaus Neuer Heloise angelegt. Es gab einen kleinen Brunnen in einer Grotte, eine natürliche Terrasse, ein paar verschlungene Wege und bemooste Treppchen durchs ungezügelte Grün, alles eingefasst mit fantasievollen Geländern aus dünnen Baumstämmen - so schien es, doch der Schein trog: Diese Baumstämme wurden u.a. von meinem Großvater so kunstvoll aus Stahlbeton gefertigt!

Alle Wege und Plätze auf dem weiten Gelände waren mit feinem, weißen Kies ausgelegt, der regelmäßig geharkt und (per Hand!) von Unkraut frei gehalten wurde. Die Hainbuchenhecken wurden ebenso regelmäßig beschnitten, die Gärten genutzt und gepflegt, aber nie gestutzt. Neben der Rosenrabatte wuchsen mächtige Rhododendronsträucher und oben im Garten eine leuchtend orange blühende Azalee.
Aus der Wohnung, zu der dieser Garten gehörte, führte eine hölzerne, kunstvoll geschnitzte Veranda über ein paar Steinstufen in den Garten hinaus. Die beiden Hauswände, in die die Veranda hineingebaut war, schmückten verblichene Landschaftsfresken, und zwischen hüfthoher Holzwand und Dach zog meine Großmutter Bohnenranken, mitten zwischen den sich an Haus und Veranda entlang windenden blaublütigen Glyzinien. Das ist die Veranda, die auf dem Schwarz-Weiß-Foto oben zu sehen ist. Als meine Großeltern älter wurden, bauten sie und meine Tante sie zu einem gemauerten Anbau mit Badezimmer um.

Die anderen Bewohner der Anlage hatten anderswo ihre Gärten. Auch meinen Großeltern gehörte noch ein großer Pachtgarten mit Gartenlaube am Ende eines verwunschenen schmalen Wegs zwischen der Flöha und dem „Busch‟ genannten Waldstück kurz vor dem Wasserkraftwerk Floßmühle. In dieser Gemeinschaft gab es jedoch wenig bis keine privaten Grenzen; der Garten am Haus war für alle Nachbarn zugänglich, zumal der Zugang zum öffentlichen Wäscheplan hindurch verlief. Und den Kindern standen sowieso alle Türen und Räume offen.

Der Wäscheplan heute

Die Häuser selbst waren nicht minder edel eingerichtet: Kunstvolle Mosaikfliesen bedeckten die Böden der Hausflure, schmiedeeiserne, cremefarben lackierte Geländer rahmten die Treppenstufen ein, die ebenfalls aus filigranem Schmiedeeisen gefertig und mit hochwertigem Parkett bedeckt waren. Auch die Fußböden in Hausflur und Wohnungen waren mit Fischgrätenparkett ausgelegt, das wöchentlich gebohnert werden musste. Die Decken waren mit Stuck verziert. Die Hausfenster und Türverglasungen bestanden aus Buntglas und alle Türklinken aus weißem Porzellan mit eingearbeiteten bunten Streublümchen, eingefasst von kunstvoll getriebenem Messing.

Hausfenster vom Fabrikhof und Hausflur

Auf dem Dachboden roch es nach sonnengetrocknetem Holz, dort hatte mein Großvater seine Uhrenwerkstatt. Unter der Treppe zum Obergeschoss duckte sich ein Abstellraum, „Büdchen‟ genannt, und davon zweigte noch ein kurzer Flur zur Toilette ab, die Gemeinschaftstoilette für das ganze Stockwerk blieb, bis die Familien sich in den 1970ern eigene Toiletten und Bäder in die Wohnungen einbauen ließen. Bis dahin gab es auch nur einen gemeinsamen, aber herrschaftlichen Baderaum für das ganze Haus im Erdgeschoss, wo sich jeder zum wöchentlichen Badetag eintragen musste.

Alle Anlagen und Einrichtungen wurden fünfzig Jahre lang sorgsam geputzt und gepflegt. Es war eine reinliche, geordnete Wildnis. Es war ein Paradies für alle Kinder, die dort aufgewachsen sind, und auch noch für unsere Kinder. Für unsere Enkel ist dieses Paradies bereits verloren. Wir waren heute dort und haben das übrig gebliebene Elend fotografiert...

Verandatreppe                                                                                     Aus der Hecke sind Hainbuchen geworden

Eingang zum Garten = Durchgang zum Wäscheplan                                                                Die „Neue Heloise‟ im Taschenformat

In diesem Haus wohnte mein Kinderfreund,                                                                         Baumstämme aus Stahlbeton
den ich mit drei Jahren heiraten wollte
(ich hab ihn nicht geheiratet ;))

© Angela Nowicki, 14. August 2013