Neila ist freiwillig ins Gefängnis gegangen, um ihrer Freundin Gesellschaft zu leisten. Das ist nun nicht mehr rückgängig zu machen. Da mag die Wärterin Bully noch so schön und blond sein, sie ist brutal und sadistisch. Sie quält die Frauen und schlägt sie, sie nimmt ihnen alles weg, was ihnen gehört oder Freude bereitet. Das Wertvollste für die Gefangenen aber ist eine schwere, alte Holztür.
Wie jeden Morgen kommt Bully in die Gemeinschaftszelle, um das Frühstück zu bringen. Eine der Frauen schreit auf. In ihrem Blechtopf mit Malzkaffee schwimmt eine lebende Kakerlake. Bully stellt sich drohend in Positur.
"Trinken!" befiehlt sie mit einer knappen Handbewegung auf die Kakerlake. Die Frau schüttelt den Kopf. Sie würgt.
"Los!" bellt Bully.
Die Frauen sehen, dass mit ihr bereits nicht mehr zu spaßen ist. Wenn die Unglückliche ihr nicht sofort gehorcht und die Kakerlake schluckt, wird sie sie schlagen. Und voraussichtlich nicht nur sie.
Neila starrt ins Gesicht der Wärterin. Dann in das der Frau. Ihre Hände ballen, ihre Arme straffen sich. Sie weiß selbst nicht, was sie tut, als sie mit drei Schritten direkt vor Bully steht.
"Nein", sagt sie. Ihre Stimme ist belegt. Sie will sich räuspern, schreit statt dessen nochmals: "Nein!"
Ohne hinschauen zu müssen, spürt sie die Körper der anderen um sich herum. Sie alle, die gesamte Belegschaft der Zelle, stehen jetzt wie eine Mauer zwischen Bully und der Mitgefangenen.
Das ist unerhört. Das hat es noch nicht gegeben. Die Wärterin steht eine kurze Sekunde lang wie versteinert und schaut ziemlich blöd drein. Dann faucht sie: "Wenn das so ist...", dreht sich auf dem Absatz um und geht.
Die Frauen sind nicht erleichtert. Sie hat nicht zugeschlagen, sie ist gegangen. Aber ihre Stimme verhieß nichts Gutes.
Etwa fünfzehn Minuten später – wer weiß im Knast schon, wie viel Zeit vergangen ist – poltert wieder der Schlüssel in der Tür. Die Tür fliegt auf. Die Frauen erstarren vor Schreck. Vor der Zellentür steht Bully mit einer Axt in der Hand, und vor ihr liegt, am Geländer abgestützt, die alte Holztür.
Dieses Mal hilft kein "Nein!", das aus zwölf aufgerissenen Mündern hervorbricht. Zwölf Frauen stehen und sehen gelähmt und bleich zu, wie die schöne, blonde Wärterin Bully ihre schwere, alte Holztür zu Kleinholz zerhackt.
"Sie hat sie getötet", denkt Neila. "Sie hat unsere Tür getötet. Jetzt werden wir jeden Morgen tote Kakerlaken trinken. Alle. Und es werden mehr Kakerlaken als Kaffee sein."
Das Schlimmste aber ist, dass ihr plötzlich klar wird, dass sie erst den ersten Tag hier war und noch einhundertzweiundachtzig solcher Tage vor sich hat.
Draußen auf dem Gefängnishof unterhalten sich die Frauen mit den anderen Gefangenen über Bully. Neilas Freundin sagt: "Ja, so sind die Rumänen." Das verblüfft Neila. Sie fragt: "Wie kommst du darauf, dass das eine Rumänin ist? Mein Freund ist Rumäne, aber die doch nicht! Glaubst du wirklich, dass Rumänen in Deutschland als Gefängniswärter angestellt werden?" Das ist plausibel, die anderen stimmen ihr zu.
Man kann man den Gefängnishof auch einfach verlassen und in die Stadt gehen, was die Frauen dann auch tun. Mit der Absicht und Angst zurückzukommen, und keine fragt sich wieso.
Wie jeden Morgen kommt Bully in die Gemeinschaftszelle, um das Frühstück zu bringen. Eine der Frauen schreit auf. In ihrem Blechtopf mit Malzkaffee schwimmt eine lebende Kakerlake. Bully stellt sich drohend in Positur.
"Trinken!" befiehlt sie mit einer knappen Handbewegung auf die Kakerlake. Die Frau schüttelt den Kopf. Sie würgt.
"Los!" bellt Bully.
Die Frauen sehen, dass mit ihr bereits nicht mehr zu spaßen ist. Wenn die Unglückliche ihr nicht sofort gehorcht und die Kakerlake schluckt, wird sie sie schlagen. Und voraussichtlich nicht nur sie.
Neila starrt ins Gesicht der Wärterin. Dann in das der Frau. Ihre Hände ballen, ihre Arme straffen sich. Sie weiß selbst nicht, was sie tut, als sie mit drei Schritten direkt vor Bully steht.
"Nein", sagt sie. Ihre Stimme ist belegt. Sie will sich räuspern, schreit statt dessen nochmals: "Nein!"
Ohne hinschauen zu müssen, spürt sie die Körper der anderen um sich herum. Sie alle, die gesamte Belegschaft der Zelle, stehen jetzt wie eine Mauer zwischen Bully und der Mitgefangenen.
Das ist unerhört. Das hat es noch nicht gegeben. Die Wärterin steht eine kurze Sekunde lang wie versteinert und schaut ziemlich blöd drein. Dann faucht sie: "Wenn das so ist...", dreht sich auf dem Absatz um und geht.
Die Frauen sind nicht erleichtert. Sie hat nicht zugeschlagen, sie ist gegangen. Aber ihre Stimme verhieß nichts Gutes.
Etwa fünfzehn Minuten später – wer weiß im Knast schon, wie viel Zeit vergangen ist – poltert wieder der Schlüssel in der Tür. Die Tür fliegt auf. Die Frauen erstarren vor Schreck. Vor der Zellentür steht Bully mit einer Axt in der Hand, und vor ihr liegt, am Geländer abgestützt, die alte Holztür.
Dieses Mal hilft kein "Nein!", das aus zwölf aufgerissenen Mündern hervorbricht. Zwölf Frauen stehen und sehen gelähmt und bleich zu, wie die schöne, blonde Wärterin Bully ihre schwere, alte Holztür zu Kleinholz zerhackt.
"Sie hat sie getötet", denkt Neila. "Sie hat unsere Tür getötet. Jetzt werden wir jeden Morgen tote Kakerlaken trinken. Alle. Und es werden mehr Kakerlaken als Kaffee sein."
Das Schlimmste aber ist, dass ihr plötzlich klar wird, dass sie erst den ersten Tag hier war und noch einhundertzweiundachtzig solcher Tage vor sich hat.
Draußen auf dem Gefängnishof unterhalten sich die Frauen mit den anderen Gefangenen über Bully. Neilas Freundin sagt: "Ja, so sind die Rumänen." Das verblüfft Neila. Sie fragt: "Wie kommst du darauf, dass das eine Rumänin ist? Mein Freund ist Rumäne, aber die doch nicht! Glaubst du wirklich, dass Rumänen in Deutschland als Gefängniswärter angestellt werden?" Das ist plausibel, die anderen stimmen ihr zu.
Man kann man den Gefängnishof auch einfach verlassen und in die Stadt gehen, was die Frauen dann auch tun. Mit der Absicht und Angst zurückzukommen, und keine fragt sich wieso.
© Angela Nowicki, 1. Mai 2010
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