Samstag, 20. Juli 2013

Herzenswärme spüren

Seelenreise vom 3. Februar 2012

Ich erwachte auf dem Berg in Tintagel, ganz nahtlos. Nackt, eingehüllt in warme Decken. Lukas stand vor mir und schlug, wie rituell, die Decken auf: erst rechts, dann links. Ich stand auf, und er fragte: „Wie geht es dir heute, nachdem du deine Sünde abgewaschen hast?‟ Er war auf einmal seltsam ernst.
„Sünde?‟ fragte ich. „Davon war eigentlich gar nicht die Rede... Aber klar, Schuld ist immer auch Sünde... Seit einer Stunde etwa geht es mir etwas besser.‟
Ich bat darum, die Wärme meines Herzens spüren zu dürfen.
„Dann zieh dich besser erst mal an‟, schmunzelte Lukas. Ich war ja noch nackt.
Ich zog meine normalen Hausklamotten an. Als ich mir gerade mein dunkelblaues T-Shirt überstreifte, meinte Lukas: „Zieh doch mal schöne Kleider an!‟
Da sah ich sie: Ein Stück weiter lagen die total ausgeflippte, leuchtend grüne Samtpluderhose und der Sari, die ich mir in Leipzig im Tranquillo gekauft hatte, für später, wenn ich mal freier bin... Ich zog sie an, dazu rote, flache Schnallenschuhe. Der herrlich rot-bunt gemusterte Sari war zu einer Tunika vernäht worden, die ich vorn zuknöpfen konnte. Darunter trug ich ein noch längeres, ockerfarbenes Shirt, fast schon ein Kleid. Es war ganz verrückt: Ich hatte auf einmal aufgesteckte Zöpfe wie ein Mädchen. Darüber zog ich mein rot-gelb-grün gestreiftes Stirnband. An meinen Armen erschienen ganz viele silberne Armreifen, die klimperten, ich trug einen Haufen Hippieketten und lange Ohrringe mit vielen Kettchen. Aber da tanzte ich schon. Mal sah ich mich von außen, mal war ich in mir drin, immer im Wechsel. Ich sah, wie ich tanzte, eine Zigeunerin, ein wildes Weib, und ich tanzte selbst. Einen Stammestanz, einen Fruchtbarkeitstanz, verschiedene Figuren, hüpfend, stampfend, steppte, meine Arme tanzten, meine Finger schnippten. Schließlich tanzte ich in immer engeren Kreisen, und Lukas sagte: „Grabe dich in dein Herz hinein!‟
Mein Herz, das war die Erde, die kornische Erde, die englische. Ich grub mich immer tiefer tanzend in diese Erde hinein, bis ich in einer Parallelwelt herauskam. Die gleiche Szenerie: der Berg in Tintagel, aber es war Nacht, und überall, auf allen Bergspitzen und Landzungen über der Keltischen See brannten riesige Feuer. Bevor ich die Feuer sah, hatte ich einen offenen Kamin in einem großen englischen Landhaus gesehen. Es war, als ob all die großen Feuer von diesem Kaminfeuer gezündet worden wären. Überall tanzten und standen Menschen an den Feuern, Menschen, die, wie ich spürte, genau wussten, was diese Nacht und diese Feuer bedeuteten: Es waren Beltane-Feuer, und sie wurden entzündet, um die lange, kalte Nacht des Winters zu vertreiben.
Erst tanzte ich quer durch die Landschaft, von einem Feuer zum anderen. Dann kam ich zurück auf unseren Berg am Artus-Schloss und trat an dieses eine Feuer. Ich öffnete meinen Körper vorn wie einen Schrank und nahm ein Stück vom Feuer in mich auf. Als ich meinen Körper wieder geschlossen hatte, brannte und wärmte das Beltane-Feuer in mir drin weiter, so dass ich leuchtete wie eine Fackel und Wärme ausstrahlte, wohin ich auch kam.
Das war meine Herzenswärme.

Ich sah mehrere Gesichter vor mir, von alten und jungen Menschen, armen, gewöhnlichen Menschen, die es schwer im Leben haben, aber ein gutes Herz.
Und dann sah ich in einer Veranda einen Haufen großer Blumentöpfe mit Pflanzen drin. Eine war ein Oleander. Ich nahm die Töpfe an mich und wurde flugs in meine Steppe versetzt. Dort grub ich Pflanzlöcher und pflanzte die Sträucher und Blumen ein, in einer lockeren Reihe, und diese Reihe führte in Richtung England.
Als alles gepflanzt war, öffnete ich wieder mein Herz-Chakra, es fuhr seine Gießrinne aus, so dass ich alle Pflanzen, einschließlich der ersten Blumen, die ich früher schon dort gepflanzt hatte, richtig einwässern konnte. Dieses Mal loderte aber auch das Beltane-Feuer aus meinem Herzen und verbreitete Wärme und Licht in diesem Teil der Steppe.
Hängematte! Hier muss irgendwo eine Hängematte hin, aber es gibt keine Bäume. Schon grub ich wieder Gruben und pflanzte eine Linde und eine Lärche mitten in die Steppe. Wenn sie groß sind, kann ich dazwischen eine Hängematte aufspannen. Noch einmal begoss, wärmte und erhellte ich die Linde, die Lärche und auch die Birke, die vor langer Zeit schon ein Stück weiter weg auf eine Anhöhe gepflanzt hatte.
Ich konnte gar nicht wieder aufhören zu gießen, verschwendete mein Herzenswasser über die ganze Steppe - und da geschah ein Wunder: Der Himmel verfinsterte sich mit stürmenden, violetten Wolken, und es setzte ein ein wahrer Monsun ein: Es regnete über der Steppe wie in der Regenzeit über der Wüste, der Regen peitschte den Sand und Staub auf, und überall schossen wie durch Zauberei die wunderschönsten, exotischsten Blumen, Gräser und Grünpflanzen hervor! Schließlich bildete sich sogar ein kleiner Teich! Und eine Hand kam aus dem Nichts und streckte sich nach meiner aus.
Auf einmal stand ich in einer regelrecht tropischen Landschaft voller verschiedener Palmen, üppiger Gewächse und farbiger Blumen mit dem Teich in der Mitte, und alles troff von warmer Feuchtigkeit.

Als ich mich verabschiedete, dachte ich nur kurz: „Eine Brücke von hier nach England‟ - und schon erhob sich eine riesige, weit gespannte Regenbogenbrücke über einen Abgrund oder Kanal hinweg, die überall mit kleinen, bunten Blumen besteckt war.

© Angela Nowicki, 19. Juli 2013

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