Mittwoch, 3. Juli 2013

: anhand der schwiegermutter :

Tagebucheintrag vom 17. Oktober 2011

P. meinte nachmittags so ganz nebenher, das seine Mutter sicher bis Ende November bleiben werde. Ich versteinerte vor Schreck. Auf meine Frage, wo dann die Leute alle schlafen sollen, wenn beide Töchter da sind plus Schwiegersohn und Enkel, verteilte er alle mit einer großzügigen Handbewegung auf die ganze Wohnung und schloss mit dem kategorischen Hinweis, bei den Schwiegereltern wäre das ja zig Jahre lang auch gegangen. Ich rannte in mein Zimmer, schmiss die Klamotten in einer Aufwallung verzweifelter Wut auf mein Sofa - und erkannte daran, dass es mir nicht egal ist, dass ich hier einschreiten muss. Als ich zurück ins Wohnzimmer ging, sagte ich ganz ruhig und freundlich, dass vier Wochen Schwiegermutter für mich zu viel seien. Irgendwie reagierte er einsichtig, aber doch mit der Bemerkung, er werde sie schließlich nicht rausschmeißen.

Es ist wirklich erstaunlich, dass außer mir alle Leute ihre Werte und Bedürfnisse mit einer überzeugten Selbstverständlichkeit in der Welt kund tun, als gebe es da gar keine Möglichkeit, jedenfalls aber kein Recht auf Widerspruch. Nur ich, ich Schaf, bin immer noch und immer immer noch tief drinnen überzeugt, dass ich „eigentlich‟ kein Recht auf meine Werte und Bedßrfnisse habe. Dass P. schließlich mal seine Mutter einladen muss (und sie schließlich nicht rausschmeißen kann), dass ich aber, wenn ich meine Freundin einlade, sie in eine noch freie Ecke quetschen muss, und wenn die Ecke nicht frei gewesen wäre, könnte sie mich selbstverständlich nicht besuchen.

WAS, ZUM TEUFEL, IST DENN DAS???!!!
Wieso bin ich überzeugt, kein Wohnrecht auf dieser Erde zu haben?

Ich habe jetzt zwei Themen wirklich dringend zu bearbeiten, und das ist dieses „fehlende Wohnrecht‟ sowie meine Verstrickung mit und meine Schuld gegenüber den Töchtern. Und vielleicht stellt sich ja heraus, dass beides das gleiche Thema ist...

© Angela Nowicki, 2. Juli 2013

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