Montag, 22. Juli 2013

Die Sucht des Kindes

Tagebucheintrag vom 4. Februar 2012

Das Wichtigste ist die Allmählichkeit - das war doch bei meiner Alkoholentwöhnung genauso. Es muss eine Entwöhnung sein, niemals eine Überwindung! Und das deshalb, weil ich so nach und nach lerne, mich fallen zu lassen - in den Augenblick, in eine Tätigkeit, in Gespräche, in Beobachtungen -, das würde ich nie auf Anhieb können, und genau das würde es mir unmöglich machen, radikal aufzuhören und auch nur einen oder auch nur drei Tage durchzuhalten. Ich muss meinem inneren Kind erst mal ganz sachte zeigen, wie es sich ohne Zigarette wohl fühlen kann.

Das ist eine sehr gute Idee - ich meine, Kinder darf man ja auch nicht mit Gewalt zu irgendetwas zwingen. Und ich glaube, genau da liegt mein Suchtproblem! Weil mein Vater mich als Kind immer zu allem gezwungen hat! Das habe ich verinnerlicht, und nun kann mein Unbewusstes selbst kaum noch anders, als mich zu peitschen und mir schlimme Vorwürfe zu machen (Schuld!) und mich hart zu bestrafen (Bestrafungsangst!), wenn ich „versage‟. All das ist ein ganz schiefes Vokabular! Ich werde nur glücklich, wenn ich lerne, den Vater in mir durch eine liebende Mutter zu ersetzen (die ich zwar kaum hatte, die ich aber durchaus sein kann), für die das eigene Kind nie versagt, sondern immer einzigartig und liebenswert ist, ob es nun raucht oder nicht. Sie zeigt ihrem Kind ganz liebevoll und clever, wie es etwas anders, besser, gesünder machen kann, aber ihr Kind kommt aus dem Kinderheim und muss erst mal seine Altlasten los werden, und da hat sie unendliche Geduld und Liebe, drückt es an sich und sagt immer wieder: „Macht doch nichts! Beim nächsten Mal klappt's besser. Und müssen musst du überhaupt nichts, du bist und bleibst mein Wunderkind.‟

© Angela Nowicki, 21. Juli 2013

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