Montag, 1. August 2011

Trilogia dolorosa

Anelito

Die Last ist schwer, und der Weg ist weit, so weit. Traurig neigen sich die Bäume am Wege, schon hat der späte Wind ihnen die Blüte genommen, auch die Frucht hat er ihnen genommen, schon, schon. Ganz violett ist der Himmel vor Trauer, aber nun ist diese Trauer ruhig, fast keine Tränen hat sie mehr, diese Trauer, ja, auch die letzte Träne wird der Wind ihr nehmen. Leise seufzend neigt das hohe Gras sich unter dem tränenlosen Himmel - da ist keine Klage und auch keine Verzweiflung; einst war der Schmerz, aber nun ist nur Stille.

Einst war da auch Liebe, und sie war schön und jung, und sie war voll Eifer. Alle freuten sich an ihr, alle bewunderten sie, alle glaubten an sie: die Bäume, der Himmel, das hohe Gras. Sie war die Hoffnung aller, denn Frucht erhoffte sich von ihr die dürre Erde, Trost der gebeugte Strauch, eine Hütte der verlorene Weg.

Aber die Liebe ist müde geworden, denn jung war sie, und vielleicht ist sie auch ein wenig eitel geworden, denn sie war wohl sehr schön, und ihr Eifer ist zerbrochen. Zerbrochen ist der Krug, die Scherben hat der Wind verstreut. Der späte Wind hat sein Urteil gesprochen, höhnisch und laut hat er gesprochen: Ich bin es, der nie müde wird, ich bin es, auf den ihr hoffen sollt, denn ich allein bleibe, es bleibt nur der Wind.

Wo ist die Blüte, wo ist die Frucht, wo ist Trost, wo die Hütte? Es bleibt nur der Wind.

Und der Wind wird vergehen - wo bleiben dann wir? Im verwelkten Gras, im verdorrten Baum, im toten Himmel. Weit ist der Weg, und die Last ist schwer, so schwer. Noch weint der Himmel, noch trauern die Bäume, noch seufzt das Gras.


Disperata

Die drei erscheinen wieder im Fenster vor uns. Mit MPs bewaffnet. Zwei Männer und eine Frau. Die sind doch krank! Soziopathen. Wie die Jungs aus dem Jugendclub. Trotzdem hat Neila nicht damit gerechnet, dass sie ernst machen. Der Erste schoss ziemlich schnell. Ihrem Gefährten in den Unterschenkel. Der brüllte. Neila bekam Panik. Ihr wurde auf einmal bewusst, dass sie auf der Stelle erschossen werden konnte.

Als die Schlacht entbrannte, liefen wir weg. Jeder ballerte gegen jeden. Die Guten gegen die Bösen. Blut spritzte in Fontänen auf beiden Seiten. Gedärme quollen. Dann ein bestialischer Schrei: "Neeein!!! Margret!!! Neeeeeein!!!"

Sie hatten die Beste von uns einfach abgeknallt. Wir rannten hin. Wollten sie bewahren. Heulten wie die Tiere. Wir müssen uns retten. Liefen wieder weg. In den Unterschlupf.

Eine kommt, aus deren Schläfen Blutströme schießen wie aus vielen Spundlöchern. Eine von denen. Doch danach fragt keiner. Sie lehnt sitzend an einer Wand. Ihre ausgestreckten Beine in einer tiefen Blutpfütze. Es ist eine von den Harten. Sie lacht und hält ihr Gewehr auf dem Schoß. Dann taucht sie ihren Finger in die Blutlache auf ihren Unterschenkeln. Neila lernt, dass Blut hellrot und dick wie Sirup ist. Keiner kann helfen. Auf das Schlachtfeld fallen zerfetzte Leichen. Sie ersaufen in einem Meer aus sirupdickem Blut.


Andante morendo

Draußen ist die Welt heil und kühl.
Wo kommen wir her?
Was ist uns geschehen?
Wir sehen Menschen. Menschen in Bob-Gestalt. Große, runde Metallkäfer, die auf gewundenen Bob-Bahnen umhersausen. Sie sind heil und kühl.
Da ist unsere Mutter. Da ist unser Enkel.
Da sind wir, und die ganze stille Welt ist nichts als Mütterlichkeit.

Mutterbobs.

Tacet

© Angela Nowicki, 1. August 2011

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