Wieder sitze ich auf dem Berggrat, von dem ich einst zum ersten Mal auf die Lichtung mit dem Eingang zur Unterwelt gerutscht bin. Ich stehe hoch oben über der Welt, blicke hinüber zum benachbarten Berggrat, die Berge sind verschneit hier oben, aus dem Tal, das ich nicht sehe, dringt blauer Nebel herauf, es ist alles sehr mystisch heute.
Wieder rutsche ich rückwärts nach unten auf die Lichtung. Sie sieht aus wie immer. Ringsum dunkler Nadelwald, geradeaus geht es über eine Böschung hinunter zu einem zweiten, größeren Eingang und zu einem See, der einmal über und über golden geglänzt hat. Die Lichtung ist klein. Ich hätte sie gern größer, weiter, aber es geht nicht. Zu eng alles. Und zu trocken. Sie ist, wie sie von Anfang an war: von dunklem Nadelwald umgeben, grün zwar, aber völlig ausgetrocknet, wie am Ende eines heißen Sommers.
In der Mitte weiß ich meinen Eingang zur Unterwelt. Stachelschwein sitzt dort und schaut mich an. Ich teile ihm sehr kurz und intensiv telepathisch – wie immer zwischen uns – mit, dass ich Hilfe brauche. Sofort dreht es sich um und düst in die Unterwelt. Ich hatte gehofft, es würde mich zur Oberwelt bringen, ich würde so gern endlich mal meinen Weisen fragen... Aber ich weiß, dass es weiß, was ich wissen will und wo ich die Antwort finde, zwischen uns läuft ja immer alles im telepathischen Kurzschluss. Also Unterwelt.
Ich laufe hinter ihm her, wir laufen sehr lange. Lange Zeit sehe ich nur Schwärze oder Strukturen, mein Stachelschwein kann ich kaum erkennen, dauernd muss ich es mir vorstellen, aber es ist da, das weiß ich.
Auf einmal sehe ich etwas: den Eingang zur Unterwelt. Ich war noch gar nicht drin? Ich sitze wieder vor dem Eingang! Ich warte. Dann fällt mir ein, dass ich mich vielleicht entspannen sollte, und ich lege mich am rechten Waldrand an der kleinen Huckelböschung ins trockene Gras.
Wieder kriege ich Bild: Ich laufe wieder hinter Stachelschwein durch den Tunnel in die Unterwelt hinunter! Er ist gelbbraun, viel heller als bisher.
Nach langer Zeit sehe ich links in der Wand so etwas wie ein größeres Loch. Wir steigen hindurch und befinden uns in einer ähnlichen Höhle wie der, in der ich Stachelschwein zum ersten Mal gefunden habe, nur viel enger und noch viel unebener. Und auch irgendwie schwärzer. Auch hier geht es durch einen Tunnel vorwärts.
Irgendwann unterwegs habe ich meine Frage artikuliert. Das war gar nicht so leicht, ich brauchte mehrere Anläufe. "Warum habe ich es so schwer?" schält sich als zentrale Frage heraus. Die kommt ganz von selbst aus mir herausgesprungen, ohne dass ich sie gedacht habe. Natürlich bekomme ich keine Antwort von Stachelschwein. Aber ich betrete ein großes Zimmer.
In diesem Zimmer sind viele Personen, das spüre ich, obgleich ich sie nicht sehe. Es wirkt sehr gemütlich, da sind ein Sofa und ein Tisch... und dann ein Fenster. Ein großes Fenster. Es ist offen. Ich versuchte hinauszuschauen, sehe aber nichts Definierbares. Mal ist mir, als sähe ich das Meer, weite Landschaften... Stachelschwein? Verlässlich wie immer, springt es durchs Fenster und ich hinterher. Mir ist, als stünden wir auf einem hohen Felsen über dem Meer.
Da beginnt es.
Ich stecke in einer undefinierbaren Dunkelheit, wie in einer kleinen Erdhöhle, und jemand zieht pausenlos große dunkelviolette Flatschen aus meinem Gehirn, einen nach dem anderen, sie ziehen Fäden, und wenn sie ab sind, werden sie weggeworfen. Mein Problem wird in endlosen, fadenziehenden, riesigen dunkelvioletten Batzen aus meinem Gehirn gezogen.
Ein breiter Wolkenrand legt sich unten über mein Gesichtsfeld. Er verdichtet sich immer mehr, ein ungeheuer angenehmes Gefühl. Lichtjahre unter mir erstreckt sich das nachtblaue Universum mit den sich wandelnden Sternbildern, wie in meinem Stirn-Chakra, doch statt des schwarzen Felsens, auf dem ich dort gestanden habe, stehe ich jetzt auf einer dicken, dichten, breiten, unbeschreiblich angenehmen Schicht weißer Wolken. Sie leuchten immer stärker und wallen von unten hervor und sind leicht und weich wie Buttercreme.
Nach kurzer Zeit kondensiert vor dem Nachthimmel etwas. Für einen Moment sieht es aus wie eine lustige fette Biene, verwandelt sich aber schnell in einen Vogel. Einen schwarzen Vogel. Noch ganz hübsch anzusehen, doch es dauert nicht lange, da verwandelt er sich in eine Fledermaus und die wiederum in eine Hexe auf dem Besen. Kondensierte Schwärze.
Szenenwechsel. Ich stehe vor einem braunen Holzhäuschen. Es sieht aus wie der Eingang zu einem Zirkuswagen an dessen Stirnseite, und ich denke sofort an das Hüttchen auf dem Hühnerbein der Baba Jaga. Eine Stiege führt hinauf zur Tür. Alles ist in Brauntönen, Erdfarben gehalten, es wirkt auf mich sehr ästhetisch und heimelig, eine Art Hippie-Ästhetik: Überall hängen bunte Fransentücher, warmes, braunes Holz, viel Stoff und Perlen und Klimbim – und doch sagt mir etwas, dass dies hier die "Höhle des Löwen" sei. Hier wohnt die schwarze Hexe – die jetzt braun ist und vor mir durch die Tür huscht, als laufe sie vor mir weg.
Ich trete ein. Es ist wirklich ein Zirkuswagen, schmal und lang, und auch innen ist alles braun. Ich stehe in einer winzigen quadratischen Küche mit lauter alten, braunen Holzmöbeln – ein Tisch, eine Bank, viele Schränke, Anrichten, ein Herd. Es riecht gut nach altem, sonnengewärmtem Holz, wie auf staubigen Dachböden im Sommer. Die Hexe ist weg, sie ist rasch durch den schwarzen Vorhang am Ende der Küche gehuscht. Ich bin allein, Stachelschwein ist draußen geblieben. Für den Bruchteil einer Sekunde weht mir die Vision einer goldenen Göttin durch die Augen, die dort hinter dem schwarzen Vorhang sitzt.
Ich stelle mich vor den Vorhang und warte.
Dass mein Problem sich mir zeigt.
Es passiert nichts.
Und da begreife ich, dass wir nicht in Anderwelten gelangen, um uns alles präsentieren zu lassen, sondern dass wir die Helden sind, die ausziehen, den Drachen zu töten.
In diesem Augenblick versammelt sich eine ungeheure Willenskraft in mir und richtet sich auf den Vorhang. Die Hexe wird sich mir niemals freiwillig zeigen. Sie ist mein Drache, ich muss mit ihr kämpfen. Plötzlich steht auch Stachelschwein neben mir – aber rechts und links – es sind zwei Stachelschweine! Zwei Stachelschweine flankieren mich und unterstützen mich mit ihrer geistigen Kraft bei meinem Kampf mit dem Drachen.
Der Kampf dauerte unendlich lange. Immer wieder sacke ich ab, immer wieder sammele ich alle Kräfte und schleudere sie gegen den Vorhang. Unablässig singe ich Beschwörungsformeln, mit denen ich das Phantom zwingen will, sein Gesicht zu zeigen, ich verschmelze mit der Stimme des Schamanen, ich bin die Stimme... Es gelingt nicht. Mehrere Male schien es, als wolle der Vorhang sich zur Seite bewegen, aber es wurde nichts. Dieses Mal ist der Feind stärker geblieben. Es ist keine Niederlage. Als ich den Kampf niederlege, ist das ein ganz organischer Vorgang, als habe ich einen Tanz zu Ende getanzt. Ich weiß, ich werde ihn wieder tanzen, so lange, bis der Vorhang sich öffnet.
Und in diesem Moment öffnet er sich. Aber da sitzt keine Person, nicht einmal ein Tier, eine Pflanze oder ein Gegenstand... Ich stehe auf dem Grund eines sehr, sehr hohen schwarzen Wasserfalls, der mich rundum umschließt. Wieder dieses ölige Wasser, und alles pechschwarz und dunkelblau. Die Hexe ist verschwunden.
Der Rückruf ertönt. Ich verlasse den Zirkuswagen, laufe zurück ins Stirn-Chakra, tauche noch einmal in die wunderbaren weißen Wolken ein und stehe auch schon wieder in der zweiten Höhle der Unterwelt. Als ich mit Stachelschwein wieder ans Tageslicht trete, drehe ich mich um, um mich von ihm zu verabschieden... und traue meinen Augen nicht: Meine Lichtung hat sich verändert! Vorn, rechts und hinten ist alles wie immer, auch ist noch alles so trocken wie je, aber die schwarze Waldwand auf der linken Seite ist verschwunden, statt dessen habe ich Ausblick auf eine hohe Felswand mit einem Wasserfall. Kein schwarzblauer, sondern eine weiße Felswand, von der kristallklares Wasser stürzt. Ich denke: "Vielleicht wird meine Lichtung nun bald Wasser bekommen und frisches Grün treiben!"
Während ich da stehe und fasziniert auf den Wasserfall blicke, wächst auf einmal ein schmaler, hoher Strauch direkt vor mir aus dem Boden. Ich sage zu Stachelschwein: "Das ist Ginster!" Wir laufen beide los und tanzen und wiegen uns unter dem Ginster, aber der verliert seine gelben Blüten und wird schwarz, verwandelt sich in dieselben schwarzen Nadeldornenzweige, die ich in meinem Nabel-Chakra in diesem unheilvollen Sumpf gesehen habe, nur viel größer, richtige Sträucher. Aber auch sie verwandeln sich schon bald wieder – in lauter Blumen auf hohen, verzweigten Stängeln. Ein riesiges Blumenmeer erstreckt sich an Stelle des vormaligen Nadelwaldes bis zur Felswand mit dem Wasserfall, und Stachelschwein und ich tanzen wie berauscht durch diesen neuen, viel schöneren Wald.
Als die Abschiedsklänge ertönen, kehren wir zurück zum Eingang. Ich verneige mich tief vor Stachelschwein und bedanke mich für alles, da sehe ich es zum ersten Mal wieder scharf und deutlich vor mir: Mein Stachelschwein hat wirklich eine lange, schwarze Schweineschnauze! Es fletscht sogar ein bisschen die Zähne.
Wieder rutsche ich rückwärts nach unten auf die Lichtung. Sie sieht aus wie immer. Ringsum dunkler Nadelwald, geradeaus geht es über eine Böschung hinunter zu einem zweiten, größeren Eingang und zu einem See, der einmal über und über golden geglänzt hat. Die Lichtung ist klein. Ich hätte sie gern größer, weiter, aber es geht nicht. Zu eng alles. Und zu trocken. Sie ist, wie sie von Anfang an war: von dunklem Nadelwald umgeben, grün zwar, aber völlig ausgetrocknet, wie am Ende eines heißen Sommers.
In der Mitte weiß ich meinen Eingang zur Unterwelt. Stachelschwein sitzt dort und schaut mich an. Ich teile ihm sehr kurz und intensiv telepathisch – wie immer zwischen uns – mit, dass ich Hilfe brauche. Sofort dreht es sich um und düst in die Unterwelt. Ich hatte gehofft, es würde mich zur Oberwelt bringen, ich würde so gern endlich mal meinen Weisen fragen... Aber ich weiß, dass es weiß, was ich wissen will und wo ich die Antwort finde, zwischen uns läuft ja immer alles im telepathischen Kurzschluss. Also Unterwelt.
Ich laufe hinter ihm her, wir laufen sehr lange. Lange Zeit sehe ich nur Schwärze oder Strukturen, mein Stachelschwein kann ich kaum erkennen, dauernd muss ich es mir vorstellen, aber es ist da, das weiß ich.
Auf einmal sehe ich etwas: den Eingang zur Unterwelt. Ich war noch gar nicht drin? Ich sitze wieder vor dem Eingang! Ich warte. Dann fällt mir ein, dass ich mich vielleicht entspannen sollte, und ich lege mich am rechten Waldrand an der kleinen Huckelböschung ins trockene Gras.
Wieder kriege ich Bild: Ich laufe wieder hinter Stachelschwein durch den Tunnel in die Unterwelt hinunter! Er ist gelbbraun, viel heller als bisher.
Nach langer Zeit sehe ich links in der Wand so etwas wie ein größeres Loch. Wir steigen hindurch und befinden uns in einer ähnlichen Höhle wie der, in der ich Stachelschwein zum ersten Mal gefunden habe, nur viel enger und noch viel unebener. Und auch irgendwie schwärzer. Auch hier geht es durch einen Tunnel vorwärts.
Irgendwann unterwegs habe ich meine Frage artikuliert. Das war gar nicht so leicht, ich brauchte mehrere Anläufe. "Warum habe ich es so schwer?" schält sich als zentrale Frage heraus. Die kommt ganz von selbst aus mir herausgesprungen, ohne dass ich sie gedacht habe. Natürlich bekomme ich keine Antwort von Stachelschwein. Aber ich betrete ein großes Zimmer.
In diesem Zimmer sind viele Personen, das spüre ich, obgleich ich sie nicht sehe. Es wirkt sehr gemütlich, da sind ein Sofa und ein Tisch... und dann ein Fenster. Ein großes Fenster. Es ist offen. Ich versuchte hinauszuschauen, sehe aber nichts Definierbares. Mal ist mir, als sähe ich das Meer, weite Landschaften... Stachelschwein? Verlässlich wie immer, springt es durchs Fenster und ich hinterher. Mir ist, als stünden wir auf einem hohen Felsen über dem Meer.
Da beginnt es.
Ich stecke in einer undefinierbaren Dunkelheit, wie in einer kleinen Erdhöhle, und jemand zieht pausenlos große dunkelviolette Flatschen aus meinem Gehirn, einen nach dem anderen, sie ziehen Fäden, und wenn sie ab sind, werden sie weggeworfen. Mein Problem wird in endlosen, fadenziehenden, riesigen dunkelvioletten Batzen aus meinem Gehirn gezogen.
Ein breiter Wolkenrand legt sich unten über mein Gesichtsfeld. Er verdichtet sich immer mehr, ein ungeheuer angenehmes Gefühl. Lichtjahre unter mir erstreckt sich das nachtblaue Universum mit den sich wandelnden Sternbildern, wie in meinem Stirn-Chakra, doch statt des schwarzen Felsens, auf dem ich dort gestanden habe, stehe ich jetzt auf einer dicken, dichten, breiten, unbeschreiblich angenehmen Schicht weißer Wolken. Sie leuchten immer stärker und wallen von unten hervor und sind leicht und weich wie Buttercreme.
Nach kurzer Zeit kondensiert vor dem Nachthimmel etwas. Für einen Moment sieht es aus wie eine lustige fette Biene, verwandelt sich aber schnell in einen Vogel. Einen schwarzen Vogel. Noch ganz hübsch anzusehen, doch es dauert nicht lange, da verwandelt er sich in eine Fledermaus und die wiederum in eine Hexe auf dem Besen. Kondensierte Schwärze.
Szenenwechsel. Ich stehe vor einem braunen Holzhäuschen. Es sieht aus wie der Eingang zu einem Zirkuswagen an dessen Stirnseite, und ich denke sofort an das Hüttchen auf dem Hühnerbein der Baba Jaga. Eine Stiege führt hinauf zur Tür. Alles ist in Brauntönen, Erdfarben gehalten, es wirkt auf mich sehr ästhetisch und heimelig, eine Art Hippie-Ästhetik: Überall hängen bunte Fransentücher, warmes, braunes Holz, viel Stoff und Perlen und Klimbim – und doch sagt mir etwas, dass dies hier die "Höhle des Löwen" sei. Hier wohnt die schwarze Hexe – die jetzt braun ist und vor mir durch die Tür huscht, als laufe sie vor mir weg.
Ich trete ein. Es ist wirklich ein Zirkuswagen, schmal und lang, und auch innen ist alles braun. Ich stehe in einer winzigen quadratischen Küche mit lauter alten, braunen Holzmöbeln – ein Tisch, eine Bank, viele Schränke, Anrichten, ein Herd. Es riecht gut nach altem, sonnengewärmtem Holz, wie auf staubigen Dachböden im Sommer. Die Hexe ist weg, sie ist rasch durch den schwarzen Vorhang am Ende der Küche gehuscht. Ich bin allein, Stachelschwein ist draußen geblieben. Für den Bruchteil einer Sekunde weht mir die Vision einer goldenen Göttin durch die Augen, die dort hinter dem schwarzen Vorhang sitzt.
Ich stelle mich vor den Vorhang und warte.
Dass mein Problem sich mir zeigt.
Es passiert nichts.
Und da begreife ich, dass wir nicht in Anderwelten gelangen, um uns alles präsentieren zu lassen, sondern dass wir die Helden sind, die ausziehen, den Drachen zu töten.
In diesem Augenblick versammelt sich eine ungeheure Willenskraft in mir und richtet sich auf den Vorhang. Die Hexe wird sich mir niemals freiwillig zeigen. Sie ist mein Drache, ich muss mit ihr kämpfen. Plötzlich steht auch Stachelschwein neben mir – aber rechts und links – es sind zwei Stachelschweine! Zwei Stachelschweine flankieren mich und unterstützen mich mit ihrer geistigen Kraft bei meinem Kampf mit dem Drachen.
Der Kampf dauerte unendlich lange. Immer wieder sacke ich ab, immer wieder sammele ich alle Kräfte und schleudere sie gegen den Vorhang. Unablässig singe ich Beschwörungsformeln, mit denen ich das Phantom zwingen will, sein Gesicht zu zeigen, ich verschmelze mit der Stimme des Schamanen, ich bin die Stimme... Es gelingt nicht. Mehrere Male schien es, als wolle der Vorhang sich zur Seite bewegen, aber es wurde nichts. Dieses Mal ist der Feind stärker geblieben. Es ist keine Niederlage. Als ich den Kampf niederlege, ist das ein ganz organischer Vorgang, als habe ich einen Tanz zu Ende getanzt. Ich weiß, ich werde ihn wieder tanzen, so lange, bis der Vorhang sich öffnet.
Und in diesem Moment öffnet er sich. Aber da sitzt keine Person, nicht einmal ein Tier, eine Pflanze oder ein Gegenstand... Ich stehe auf dem Grund eines sehr, sehr hohen schwarzen Wasserfalls, der mich rundum umschließt. Wieder dieses ölige Wasser, und alles pechschwarz und dunkelblau. Die Hexe ist verschwunden.
Der Rückruf ertönt. Ich verlasse den Zirkuswagen, laufe zurück ins Stirn-Chakra, tauche noch einmal in die wunderbaren weißen Wolken ein und stehe auch schon wieder in der zweiten Höhle der Unterwelt. Als ich mit Stachelschwein wieder ans Tageslicht trete, drehe ich mich um, um mich von ihm zu verabschieden... und traue meinen Augen nicht: Meine Lichtung hat sich verändert! Vorn, rechts und hinten ist alles wie immer, auch ist noch alles so trocken wie je, aber die schwarze Waldwand auf der linken Seite ist verschwunden, statt dessen habe ich Ausblick auf eine hohe Felswand mit einem Wasserfall. Kein schwarzblauer, sondern eine weiße Felswand, von der kristallklares Wasser stürzt. Ich denke: "Vielleicht wird meine Lichtung nun bald Wasser bekommen und frisches Grün treiben!"
Während ich da stehe und fasziniert auf den Wasserfall blicke, wächst auf einmal ein schmaler, hoher Strauch direkt vor mir aus dem Boden. Ich sage zu Stachelschwein: "Das ist Ginster!" Wir laufen beide los und tanzen und wiegen uns unter dem Ginster, aber der verliert seine gelben Blüten und wird schwarz, verwandelt sich in dieselben schwarzen Nadeldornenzweige, die ich in meinem Nabel-Chakra in diesem unheilvollen Sumpf gesehen habe, nur viel größer, richtige Sträucher. Aber auch sie verwandeln sich schon bald wieder – in lauter Blumen auf hohen, verzweigten Stängeln. Ein riesiges Blumenmeer erstreckt sich an Stelle des vormaligen Nadelwaldes bis zur Felswand mit dem Wasserfall, und Stachelschwein und ich tanzen wie berauscht durch diesen neuen, viel schöneren Wald.
Als die Abschiedsklänge ertönen, kehren wir zurück zum Eingang. Ich verneige mich tief vor Stachelschwein und bedanke mich für alles, da sehe ich es zum ersten Mal wieder scharf und deutlich vor mir: Mein Stachelschwein hat wirklich eine lange, schwarze Schweineschnauze! Es fletscht sogar ein bisschen die Zähne.
© Angela Nowicki, 17. Oktober 2009
2 Kommentare:
Fantastisch Deine Reisebeschreibung! Das erinnert mich sehr an meine Schamanenzeit. Wunderschön!
Ein lieber Gruss
Eva
Danke, Eva! Das freut mich sehr.
Liebe Grüße von Angela
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