Tagebucheintrag vom 27. September 2011
... und dann vom Bus aus zwei ältere, völlig verschiedene Frauen an der Haltestelle siehst, die genau die gleichen Polo-Shirts an haben - himbeerfarben mit schmalen, weißen Streifen - und sich auch noch so fern voneinander wie möglich halten, als solle niemand auf die Idee kommen, sie gehörten zusammen,
und du dann einen steilen Berg hinunter läufst, direkt auf ein riesiges, himbeerfarbenes Schild zu mit der Aufschrift „Fahrräder‟
und dir unten am Berg eine Radfahrerin mit Spitzentuch und Spitzenhaube fast über die Füße fährt , obwohl du hier noch nie Radfahrer gesehen hast, der endlose, breite Radweg ist sonst immer leer,
dann weißt du, dass dir auf der anderen Straßenseite ein ganzer Pulk Radfahrer mit Helmen und Handschuhen entgegen kommt, die dich an die Hauswand drängen, weil hier kein Radweg und der Fußweg eng ist.
Hoffnung und Unruhe.
Das Sozialgericht.
Eine junge Frau trägt Essenboxen ins Haus.
„Guten Tag, ich möchte eine Klage aufnehmen lassen gegen das Jobcenter.‟
„Eine Klage? Da müssen sie aber zum Sozialgericht.‟
„Und wo bin ich hier?‟
„Das ist das Landessozialgericht.‟
„Aber wir waren doch immer hier. Ist das erst seit kurzem so?‟
„Seit zwei Jahren.‟
„Und wo ist das Sozialgericht jetzt?‟
„In der alten Hauptpost. Wissen Sie, wo das ist?‟
„Ja. Auf Wiedersehen.‟
Eine ältere Frau zeigt dir den Weg über die Straße.
Das Landessozialgericht.
Enttäuschung und Ruhe.
Wenn das rauchende Mädchen mit dem übellaunigen Gesicht neben dir an der Haltestelle schwanger ist
und das unablässig hustende, rotblonde Mädchen im Bus mit dem geröteten, schweißnassen Gesicht und mp3-Player im Ohr, zwei Sitze vor einer jungen Frau mit mp3-Player im Ohr - die einzigen jungen Frauen, alles andere sind Männer und eine alte Frau -, sich gleich nach dem Aussteigen eine Zigarette anzündet,
dann weißt du, dass an der gegenüber liegenden Haltestelle ein Mädchen mit einem mp3-Player im Ohr steht und raucht.
© Angela Nowicki, 27. Juni 2013
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